Plötzliche Wesensveränderungen im Alter

„War die Oma eigentlich schon immer so gemein?“, fragt ein sechsjähriger Junge seine Mama auf dem Heimweg vom Großelternbesuch. Früher hat sie ihm Geschichten vorgelesen und leckeren Schokopudding gekocht, heute kann sie sich oft nicht sofort an seinen Namen erinnern. Und an diesem Tag hatte sie einen richtigen Wutanfall, der die ganze Familie erschreckte. Was hat es damit auf sich, wenn plötzliche Wesensveränderungen im Alter auftreten?

Was sind plötzliche Wesensveränderungen?

Jeder Mensch hat seine eigenen Charakterzüge und Persönlichkeitsmerkmale. Doch im Alter können sich diese manchmal überraschend ändern. Solche Veränderungen können subtil sein oder auffallend stark sein. Sie können zeitweilig auftreten oder dauerhaft bestehen bleiben. Je nach Grad ist wichtig zu verstehen, dass nicht jede Veränderung im Verhalten notwendigerweise auf eine Erkrankung hinweisen muss.

Plötzliche Wesensveränderungen im Alter können auf eine Demenz hinweisen. Hier zu sehen ist ein älterer, grimmig dreinblickender Mann.
Wutanfälle und unangemessenes Verhalten können auf eine Demenz hindeuten.

Mögliche Ursachen für Wesensveränderungen im Alter

  1. Neurologische Erkrankungen: Zu den häufigsten Gründen gehören neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson. Diese können das Verhalten und die Persönlichkeit eines Menschen beeinflussen.
  2. Medikamente: Manche Medikamente oder deren Wechselwirkungen können zu Stimmungsschwankungen oder Persönlichkeitsveränderungen führen. Mehr zum Einsatz von Medikamenten bei Demenz finden Sie hier.
  3. Depression: Depressionen im Alter werden oft übersehen oder falsch interpretiert. Sie können zu Rückzug, Traurigkeit oder sogar Aggressivität führen.
  4. Körperliche Erkrankungen: Schmerzen, Infektionen oder hormonelle Schwankungen können das Verhalten beeinflussen.

Persönlichkeitsveränderungen sind auch typisch für die frontotemporale Demenz. Bei dieser relativ früh einsetzenden Form der Demenz kommt es zu Schädigungen des Gehirns. Diese Schäden treten in den Bereichen auf, die für die Persönlichkeit zuständig sind. Das betrifft vor allem den vorderen Teil des Gehirns, das Frontalhirn.

Auch ein Unfall oder ein Schädel-Hirn-Trauma, bei dem der Frontallappen verletzt wird, können dazu führen.

Im Alter ist der Auslöser aber meistens die Alzheimer-Demenz. Wenn kein erkennbarer äußerer Grund erkennbar ist und sich zusätzlich auch Vergesslichkeit sichtbar macht, ist Alzheimer als Ursache sehr wahrscheinlich.

Im Verlauf der Alzheimerkrankheit sterben graue Zellen im Gehirn ab. Das Gehirn schrumpft also mit der Zeit. Betroffen ist auch das Frontalhirn. Dort “sitzt” zum einen die Persönlichkeit, gleichzeitig ist es auch Kontrollzentrale für Verhalten. Dieser Teil des Hirns trifft Entscheidungen und hilft uns dabei, uns auf eine Aufgabe zu konzentrieren ohne uns ablenken zu lassen. Es steuert die Aufmerksamkeit und koordiniert komplexe Bewegungen. Und es wägt die Konsequenzen von Verhalten ab. Dieser Teil des Hirns, der also vorher unangebrachte Bemerkungen unterdrückt hat, ist beeinträchtigt.

Enthemmung und Vergesslichkeit

In der Folge von den Gehirnveränderungen bei Demenz kommt es zu unkontrollierten Wutausbrüchen, gemeinen oder sexuellen, unangebrachten Bemerkungen. Das kann befremdlich und verletzend sein. Besonders dann, wenn die betroffene Person vorher sehr besonnen und freundlich war. Wenn Sie aber verstehen, welche Veränderungen im Gehirn auftreten, können Sie dieses Verhalten gut erklären. Erinnern Sie sich daran, dass der oder die Betroffene nichts dafür kann. Auch, wenn es schwer ist: versuchen Sie, es nicht persönlich zu nehmen.

Schwierig wird es gerade dann, wenn sich zu der Enthemmtheit auch Vergesslichkeit gesellt. Wenn die Oma das Bedürfnis nach Sicherheit hat, könnte sie Ihre Wertgegenstände verstecken. Später allerdings hat sie dann schon wieder vergessen, an welchem sicheren Platz sie ihr Geld oder ihr Schmuckstück verstaut hat. Oder vor allem, dass Sie es versteckt hat. Das unerklärliche Verschwinden kann zu falschen Beschuldigungen führen.

Es ist wichtig, immer nach dem Auslöser für das negative Verhalten zu suchen. Ist die Person verwirrt, frustriert oder wütend? Möglicherweise gibt es ein Problem, das sie nicht mehr klar ausdrücken kann. Versuchen Sie, einfache Fragen und Anweisungen zu geben und auf die Bedürfnisse der Person einzugehen.

Vielleicht ist es zu warm oder zu kalt im Raum, sie hat Schmerzen oder ein Kleidungsstück zwickt. Spielen Sie Detektiv, eventuell lässt sich das Problem ganz einfach lösen.

Tipps zur Kommunikation bei plötzlichen Wesensveränderungen im Alter

  1. Bleiben Sie ruhig und freundlich. Wenn Sie auf den Zug aufspringen, besteht Gefahr, dass ein Konflikt entsteht oder die Situation eskaliert.
  2. Nehmen Sie kurz Abstand. Möglicherweise ist der Auslöser für das Gefühl gleich wieder vergessen.
  3. Diskussionen mit Argumenten funktionieren oft nicht mehr. Anstatt Ihr Gegenüber überzeugen zu wollen, sollten Sie auf die emotionale Schiene wechseln und dessen Gefühle bestätigen.
  4. Lenken Sie die betroffene Person ab. “Ja, das ist sehr ärgerlich! Komm, wir gehen ein bisschen nach draußen, die Sonne scheint so schön!”
  5. Man kann es nicht oft genug sagen: Nehmen Sie es nicht persönlich! Der Betroffene kann nichts dafür. Versuchen Sie, zu verstehen, woher das negative Gefühl kommt.
Emotionen wie Aggressivität und Trauer können mitunter sehr plötzlich auftreten.
Emotionen wie Aggressivität und Trauer können mitunter sehr plötzlich auftreten.

Wann sollte man ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen?

Wenn Wesensveränderungen plötzlich auftreten, besonders intensiv sind oder mit anderen Symptomen wie Verwirrtheit, Gedächtnisverlust oder körperlichen Beschwerden einhergehen, ist es ratsam, einen Arzt aufzusuchen. Eine frühzeitige Diagnose kann helfen, die Ursache zu finden und geeignete Maßnahmen einzuleiten.

Zusammenfassung

Plötzliche Wesensveränderungen im Alter können durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden, von neurologischen Erkrankungen bis hin zu Medikamenten. Es ist wichtig, Verständnis und Geduld zu zeigen und bei Bedarf ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

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